Notfallplan
Ich will nur noch weg und brauche einen Notfallplan
Es kann Betroffenen in toxischen Beziehungen schwerfallen, Entscheidungen zu treffen und sich Gedanken darüber zu machen, wie es weitergehen soll. Wenn dir deine Beziehung ein ungutes Gefühl gibt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Wir möchten dir dabei zur Seite stehen und dich bei deiner Entscheidung unterstützen.
Ich will nur noch weg und brauche einen Notfallplan
Ich muss meine Kinder schützen
Ich denke über eine Trennung nach
Ich bleibe in der Beziehung, trotz ungutem Gefühl
Ich will eine Anzeige machen
Ich sorge mich um meine psychische Gesundheit
Ich bin unsicher und brauche mehr Informationen
Du bist in einer gewalttätigen Beziehung und fühlst dich bedroht.
Gewalttätige Partner:innen können sehr unberechenbar sein. Ein Notfallplan kann dir dabei helfen, einer akuten Gewaltsituation zu entkommen und dich besser auf eine Krisensituation vorzubereiten.
Das solltest du für deinen persönlichen Notfallplan beachten:
Ich habe immer ein bisschen Geld und mein Handy dabei
Ich kenne die Nummern des Notrufes und anderer wichtiger Stellen (Polizei, Frauenhaus, Opferberatungsstelle)
Ich informiere meine Vertrauensperson und bespreche mit ihr/ihm meinen Notfallplan. Falls ich Kinder habe, weihe ich sie so gut wie möglich ein
Ich erstelle Kopien von wichtigen Dokumenten, die ich an einem sicheren Ort deponiere. Ich kann auch meine Vertrauensperson bitten, mir dabei zu helfen
Ich packe eine Notfalltasche, die ich bei meiner Vertrauensperson oder an einem anderen sicheren Ort aufbewahre. Darin verstaue ich Kleidung für ein paar Tage, Hygieneartikel, wichtige persönliche Sachen, Medikamente, Geld, Ersatzschlüssel, Aufladekabel, Reisepass/Ausweis, Versicherungsausweise, Bankunterlagen, Aufenthaltsbewilligung
Falls ich nicht offen sprechen kann, benutze ich ein Notfallsignal, dass ich mit meiner Vertrauensperson abgesprochen habe. So weiss er/sie, dass ich Hilfe benötige. Ich lege vorher fest, was meine Vertrauensperson in diesem Fall genau tun soll oder wie meine Kinder darauf reagieren sollen
Ich kenne die Fluchtwege, falls ich meine Wohnung plötzlich verlassen muss (Ausgänge, Lift, Fenster). Ich überlege mir vorher auch meine Fluchtroute und weiss, wie ich am schnellsten zu einem sicheren Ort komme
Falls du dich öfters um deine Sicherheit sorgst, empfehlen wir dir unseren Fragebogen zur Gefahreneinschätzung in deiner Beziehung auszufüllen.
Du bist in einer ungesunden Beziehung und entweder hast du oder habt ihr zusammen Kinder. Was kannst du tun?
Bewusst werden, was Gewalt für Kinder bedeutet
Wenn Kinder Gewalt zwischen Eltern erleben, ist
das für sie sehr belastend. Oft merken sie mehr, als Eltern annehmen oder erwarten. Das Gefühl, dass ihr Zuhause
nicht sicher und ein Elternteil in Gefahr ist, löst Angst und Ohnmacht aus, die noch lange
nachwirken kann. Kinder glauben auch oft, dass sie eine Schuld an der Gewalt tragen, was sie zusätzlich traumatisieren
kann.
Kinder schützen
Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihre Kinder zu schützen. Hier
findest du einige Ansätze, wie Kinder in dieser schwierigen Phase unterstützt werden können:
Sprich offen mit deinen Kindern. Sag ihnen, dass sie an der Gewalt nicht schuldig sind. Bestätige ihnen, dass die Gewalt nicht okay ist. Beantworte ihre Fragen und erkundige dich, wie es ihnen geht. Akzeptiere, wenn Kinder nicht reden wollen. Versuche nicht, die Gewalt zu verschweigen und unter den Teppich zu kehren.
Versuche keine Auseinandersetzungen vor den Kindern auszutragen.
Bespreche im Vorfeld mit den Kindern, was im Notfall zu tun ist. So könnte ein Kind zum Beispiel zu den Grosseltern, zu den Nachbarn oder zu anderen Vertrauenspersonen gehen und sich Hilfe holen.
Versuche, sichere Räume für Kinder zu schaffen, wo sie sich erholen können und sie keine Angst haben müssen.
Wissen, wo man Hilfe holen kann
Sowohl du als auch deine Kinder können sich bei häuslicher
Gewalt unterstützen und beraten lassen. Wir empfehlen, dies zu tun. Eine allgemeine Übersicht über Anlaufstellen
(auch für Minderjährige) in der Schweiz findest du hier.
Was zudem wichtig ist:
Viele Opferberatungsstellen haben Angestellte, die auch Kinder beraten.
Falls du in ein Frauen- oder Männerhaus gehst, kannst du deine Kinder mitnehmen.
Falls die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Meldung über Kindeswohlgefährdung erhält, wird sie aktiv. Das passiert etwa, wenn die Polizei gerufen wird und in einem Haushalt Minderjährige wohnen. In den seltensten Fällen werden Kinder jedoch fremdplatziert - die KESB hat den Auftrag, die Situation abzuklären und versucht, die Kinder zu schützen. Opferberatungsstellen und Frauenhäuser können dich bei Fragen zu der KESB im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt beraten.
Du denkst darüber nach, deine toxische Beziehung zu verlassen.
Was solltest du dazu wissen?
Sei dir bewusst, dass es in dieser Phase zu einer Eskalation kommen kann. Laut Expert:innen kann die Phase der Trennung aus einer toxischen Beziehung besonders gefährlich sein. Wenn die Tatperson den Kontrollverlust über die Partnerin oder den Partner nicht erträgt, besteht eine erhöhte Gefahr, dass Konflikte eskalieren und Gewalt angewendet wird.
Schau zu deiner Sicherheit. Wenn du dich vor der Reaktion deines Partners oder deiner Partnerin fürchtest, empfehlen wir dir folgende Schritte:
Ruf die Polizei, wenn du dich akut bedroht fühlst
Es kann sicherer sein, die Beziehung per Telefon oder Nachricht zu beenden. Wenn du dich persönlich trennen willst, kannst du dies an einem öffentlichen Ort tun. Es kann hilfreich sein, wenn Freunde oder Familie in der Nähe auf dich warten.
Falls du mit deinem Partner oder deiner Partnerin zusammenwohnst: Sag nicht, dass du planst, dich zu trennen. Verlasse die Wohnung, wenn er/sie nicht zu Hause ist und nimm deine Habseligkeiten gleich mit.
Treffe dein:e Ex-Partner:in nach der Trennung nicht alleine zu Hause, auch wenn er oder sie darum bittet. Schau, dass ihr euch in einem Café oder einem anderen öffentlichen Ort trefft.
Denk über einen Notfallplan nach. Mach zum Beispiel ein Notfallsignal für deine Freunde und Familie ab. Das kann ein Wort, ein Satz oder ein anderes Signal sein, womit du Freunde oder Angehörige alarmieren kannst, falls du dich in Gefahr fühlst. Besprich vorher mit ihnen, was sie machen sollen, wenn du das Signal tätigst. Pack eine Notfalltasche mit allem drin, was du benötigst, falls du schnell das Haus verlassen musst.
Du hast ein mulmiges Gefühl, möchtest aber in der Beziehung bleiben
Es ist nicht einfach, sich von dem Partner oder der Partnerin zu trennen. In einer toxischen Beziehung gibt es aber besonders viele Hindernisse. Was du in deiner Beziehung erlebst, ist nicht immer einfach einzuordnen. In diesen Gefühlen bist du nicht allein, Betroffene brauchen oftmals verschiedene Anläufe, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen.
Expert:innen empfehlen grundsätzlich, eine gewalttätige Beziehung, in der Betroffene wiederholt emotionale und/oder körperliche Gewalt erleben, zu beenden und Hilfe zu holen.
Wenn du für diesen Schritt noch nicht bereit bist, empfehlen wir dir Folgendes:
Du überlegst dir, eine Anzeige gegen einen gewalttätigen Partner oder eine gewalttätige Partnerin zu machen? Dazu musst du Folgendes wissen:
Jede Person kann eine Straftat mündlich oder schriftlich anzeigen. Die Anzeige meldest du an einer Polizeistelle.
Bitte beachte, dass du nach dem Gewaltvorfall drei Monate Zeit hast, eine Anzeige zu machen. Wir empfehlen dir, dich bei einer Fachstelle in deiner Nähe beraten zu lassen.
Wann kannst du eine Anzeige machen?
Eine Tat kann ein Offizialdelikt oder ein Antragsdelikt sein. Ein Offizialdelikt wird von
Amtes wegen verfolgt. Erfährt die Polizei von einem Offizialdelikt, wird sie also von sich aus eine Strafverfolgung
einleiten. Bei einem Antragsdelikt musst du als betroffene Person selber eine Strafanzeige einreichen. In beiden
Fällen kannst du für eine Anzeige zur Polizei.
Offizialdelikte im Bereich häuslicher Gewalt sind:
Einfache und schwere Körperverletzung
Wiederholte Tätlichkeiten (Ohrfeigen, Schlagen, an den Haaren reissen etc.)
Drohung
Nötigung
Tötungsdelikte bzw. -versuche
Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung
Antragsdelikte im Bereich häuslicher Gewalt sind:
Sachbeschädigung
Einmalige Tätlichkeiten (zum Beispiel eine Ohrfeige)
Hausfriedensbruch
Belästigung
Missbrauch des Telefons (im Falle von Stalking)
Sexuelle Belästigung
Bei einem Antragsdelikt kannst du den Strafantrag zurückziehen, bei einem Offizialdelikt kann das nur die Strafbehörde. Hier findest du Informationen zu der rechtlichen Situation in der Schweiz.
Was bringt eine Anzeige?
Bei der Anzeige untersuchen die Behörden, ob eine strafbare Handlung stattgefunden hat. Falls ja, wird die beschuldigte Person bestraft. Eine Anzeige kann dich vor weiteren Gewaltvorfällen schützen. Wir empfehlen dir, dich beraten zu lassen - Expert:innen (etwa von Opferberatungsstellen oder Frauenhäusern) können dich unterstützen und deine Fragen beantworten.
Wie kannst du Gewalt dokumentieren?
Für eine Anzeige und weitere Schutzmassnahmen ist es enorm wichtig, die Gewalt so genau wie möglich zu dokumentieren (dazu gehören auch Datum und Uhrzeit):
Mach Screenshots von drohenden oder gewalttätigen Nachrichten, E-Mails oder Social-Media-Inhalten
Mach Screenshots, falls du mit Anrufen terrorisiert wirst
Speichere drohende oder andere gewalttätige Sprachnachrichten
Speichere medizinische Berichte, falls du wegen häuslicher Gewalt ärztliche Hilfe gesucht hast
Schreibe auf, wann welche Art Gewalt passiert ist und ob du die Polizei gerufen hast
Mach Fotos von körperlichen Verletzungen. Dabei soll klar erkennbar sein, dass du die Person mit der Verletzung bist. Halte also Verletzungen auf dem Bild möglichst so, dass man dein Gesicht sieht.
Es kann hilfreich sein, die Beweise in Form eines Tagebuchs aufzuschreiben. Speichere die Dokumente unbedingt an einem sicheren Ort ab, wo niemand anderer Zugriff hat. Dies kannst du zum Beispiel mit dem Online-Speicher Safe withyou tun – ein Tool, das dich bei der Dokumentation von Gewaltvorfällen und/oder Stalking unterstützt. Du kannst deine gesammelten Beweise auch einer Vertrauensperson schicken, damit du diese nicht selbst aufbewahren musst.
Dir geht es nicht gut, du schläfst schlecht, fühlst dich emotional taub oder bist schreckhaft.
Körperliche und emotionale Gewalt in einer Beziehung haben weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit, vor allem auch die psychische Gesundheit:
Angstzustände und Panikattacken
Schlafstörungen
Depression und Antriebslosigkeit
Emotionale Erschöpfung
Verzweiflung und Hilflosigkeit
Schreckhaftigkeit
Kontrollverlust
Suizidgedanken
Das kann deine Lebensqualität stark beeinflussen und einschränken. Vielleicht kannst du dich auf der Arbeit oder in deinem Studium nicht mehr konzentrieren oder du hast kaum Energie, deinen Alltag zu bewältigen.
Es kann sehr erleichternd sein, über deine mentale Gesundheit zu sprechen. Vertraue dich deinem Umfeld an oder suche dir professionelle Hilfe. Hier findest du qualifizierte Therapeutinnen und Therapeuten in der ganzen Schweiz. Damit du die bestmögliche Unterstützung erhältst, kannst du deine Suche nach Symptomen, Situationen, Sprache oder Geschlecht einschränken.
Auch Opferhilfeberatungsstellen können dir helfen, die passende psychologische Unterstützung zu finden.
Du bist dir nicht sicher, ob du betroffen bist.
Toxische Beziehungen sind nicht immer leicht zu erkennen. Meistens beginnt die Beziehung mit grosser Verliebtheit und Leidenschaft. Ungesunde Dynamiken und Verhaltensmuster entwickeln sich schleichend und werden oftmals verdrängt oder schöngeredet. Besonders emotionale Gewalt wie ständige Kritik oder starke Eifersucht wird lange nicht als Missbrauch gesehen.
Was aber häufig bleibt, ist ein ungutes Bauchgefühl und der Gedanke: Irgendetwas stimmt hier nicht.
Falls du dich darin wiedererkennst, raten wir dir, dich so gründlich wie möglich zu informieren. Je besser du die toxischen Verhaltensmuster deines Partners oder deiner Partnerin identifizieren kannst, desto eher kannst du dir Unterstützung holen und die für dich richtigen Entscheidungen treffen.